Darf Prüffirma Gutachtenhonorar auf Zeitaufwand kürzen?

| Firmen, die für Versicherer dieses oder jenes prüfen, gibt es viele. Alle kopieren mehr oder weniger das Konzept des Marktführers. Nun stürzt sich ein Anbieter von Prüfdienstleistungen offenbar sehr gezielt auf das Thema der Erstattung des Gutachterhonorars. Der kommt nun mit der These daher, der Zeitaufwand bei der Gutachtenerstellung müsse das Maß der Dinge sein. Das führt zu folgender Leserfrage: |

 

FRAGE: In einem sogenannten Prüfbericht schrieb eine Prüffirma, weil unsere Qualifikation als Sachverständige nicht erkennbar sei, könne nur nach Zeitaufwand abgerechnet werden. Als Stundensatz würden 130,82 Euro für den Sachverständigen und 36,63 Euro für die Schreibkraft angesetzt. Wenn wir nun den zugestandenen Betrag durch den Stundensatz dividieren, hat man uns offenbar 2 Stunden 20 Minuten für den Sachverständigen und 30 Minuten für die Schreibkraft zugebilligt. Das Ganze geschehe in Anlehnung an BGH, Urteil vom 29.10.2019, Az. VI ZR 104/19. Diese Entscheidung besage, dass das Gutachtenhonorar auch durch Schätzung des tatsächlich erbrachten Zeitaufwands bemessen werden könne. Wie können wir reagieren?

 

ANTWORT: Wir kennen Ihr Gutachtenbüro, der Hinweis auf fehlende oder nicht erkennbare Qualifikation ist absurd angesichts Ihrer Marktpositionierung und öffentlichen Bestellung und Vereidigung des Chefs durch die Handwerkskammer. Das provoziert die Gegenfrage nach der Qualifikation der Prüffirma. Im Übrigen wäre bei ‒ auch für den Geschädigten erkennbarer ‒ fehlender Qualifikation die Kürzung der Honorarerstattung der falsche Weg. Dann gäbe es nämlich gar nichts. Und auch die Ansicht der Prüffirma, sich auf die BGH-Rechtsprechung stützen zu können, geht fehl.

Argumentation der Prüffirma von BGH-Urteil nicht gedeckt

Im Fall, der der BGH-Entscheidung vom 29.10.2019 (Az. VI ZR 104/19, Abruf-Nr. 213215) zugrunde liegt, hatte der Sachverständige eine Honorarvereinbarung vorgelegt. Die war aber nicht tragfähig.

 

Denn der Sachverständige hatte zwar in die Vereinbarung geschrieben, dass nach BVSK-Befragung 2015 Honorarstufe 3 abgerechnet werde. Doch war kein Zahlenwerk beigefügt. Dass die Honorartabelle öffentlich im Internet zu finden sei, genügte dem BGH nicht. Eine solche „blinde“ Vereinbarung dürfe ein verständiger wirtschaftlich denkender Geschädigter nicht abschließen.

 

Hinzu kam, dass der Sachverständige auch nicht mit der von ihm als vereinbart behaupteten Honorarstufe abgerechnet hatte. Seine Rechnung lag darüber. Also durfte das Berufungsgericht ‒ so der BGH ‒ die erforderliche Höhe und damit die berechtigte Erstattung schätzen. Angesichts des sehr lückenhaften Vortrags der Sachverständigen zur Üblichkeit des geforderten Honorars i. S. v. § 632 Abs. 2 BGB sei nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht keinen Anhaltspunkt für einen höheren als den bereits beglichenen Betrag gesehen habe.

 

Wichtig | So oft wir das Urteil auch lesen: Den von der Prüffirma im Hinblick auf eine Zeitaufwandsschätzung behaupteten Inhalt hat es nicht. Da wird mal wieder wider besseres Wissen geblufft, vielleicht aber auch mangels Qualifikation und Urteilslesekompetenz das Urteil nicht verstanden.